Warum Wein besonders zum Essen ist
Es ist nicht in erster Linie der Alkohol, der Wein oder Bier zum Essen passend macht. Aromen aus der Gärung sind es, die erst den Unterschied zu alkoholfreien Getränken wie Saft oder modernen Auszügen aus Tee und Kräutern ausmachen.
Wer sich mit diesem Gedanken nicht beschäftigt hat: stellen Sie sich Traubensaft mit 12 oder 13% reinem Alkohol vor. Dieses Getränk hätte nicht den Ruf von Wein errungen.
Bei der Gärung entstehen neben dem Alkohol sehr viele Aromen, die den Wein erst zum Wein machen. Diese Aromen sind es, die Wein zum Essen zu anders machen, als andere Getränke. Und auch schwieriger, weil diese Aromen dominant wirken können. Hinzu kommt natürlich die sensortische Wirkung des Alkohol, bei nicht völlig trockenen Weinen von Zucker und - was alkoholfreie Getränke kaum haben: Frucht- und besonders Gerbsäuren.
Das Zusammenspiel entsteht aus dem, was wir schmecken und fühlen: Säure, Süße, Fett, Salz, Tannine und Aromen begegnen sich im Mund und verstärken oder mildern einander. Wer diese Wechselwirkungen kennt, kombiniert Wein und Essen harmonischer — oder bewusst spannungsreicher.
Dabei geht es nicht darum, für jedes Gericht einen perfekten Wein zu finden. Sondern darum zu verstehen, wie bestimmte Eigenschaften des Weins mit dem Essen reagieren und was man als angenehm oder störend empfindet.
Dieses «man» deutet an, dass es nur wenig Geschmacksache ist, die jeder für sich entscheidet. Es sind typische Reaktionen von Kombinationen von Aromen, die uns Menschen prägen - ähnlich, wie gewisse menschliche Eigenschaften fast überall als angenehm empfunden werden. Ein symmetrisches Gesicht wirkt überall auf der Welt sympathischer als eines, bei dem die Nase etwas nach links gerutscht ist.
Beim Essen sind es einige Kombinationen, die angenehm sind: süß und sauer balanciert sich. Salz und Alkohol wirkt leicht bitter und damit unangenehm. Solche und weitere «Regeln» sind nie fix und für jeden gleich. Es sind Anhaltspunkte, doch sehr hilfreiche.
Säure und Fett: Frische gegen Schwere
Die Frische eines Weins — seine Säure gibt dem Wein Lebendigkeit und Struktur. Fett dagegen, ob in Form von tierischem Fett, Milchfett oder Öl, bringt Schmelz und Fülle.
Treffen beide zusammen, balanciert die Säure die Schwere des Fettes. Das Gericht wirkt leichter und lebendiger. Daher passen Weine mit ausgeprägter Frische gut zu Gerichten mit Fülle — zum Beispiel ein Sauvignon Blanc zu einer Dorade mit Sauce au beurre blanc, oder ein Grenache Gris zu einer Poularde à la crème.
Fehlt dem Wein Säure, wirkt das Essen schnell üppig und schwer. Zu einer Sauce mit viel crème fraîche oder zu fettem Lachs verlangt es also einen Wein mit genug Frische, sonst droht ein überladenes Mundgefühl.
Auch wenn es so wirken mag: der Wein und die Säure machen das Essen nicht besser verdaulich. Es ist ein rein geschmackliches Erlebnis.
Tannin und Eiweiß: Struktur und Milderung
Die Tannine, also Gerbstoffe im Wein, sind entscheidend für die Wahrnehmung von Struktur. Sie reagieren mit Eiweiß im Essen — vorrangig aus Fleisch — und werden dadurch weicher und runder.
Ein kräftiger Syrah oder ein Carignan mit markanter Tanninstruktur entfaltet seine volle Harmonie im Zusammenspiel mit einer Côte de bœuf oder einem geschmorten Lamm. Das Eiweiß bindet die Tannine und macht den Wein geschmeidiger.
Doch Vorsicht: zu fettreichen Speisen mit wenig Eiweiß — wie etwa Schweinebauch — können Tannine und Fett einander verstärken und als bitter oder schwer empfunden werden. Dasselbe gilt für fettreiche Fische wie Lachs oder Thunfisch: Tanninreiche Rotweine wirken hier schnell hart oder metallisch.
Ein Pinot Noir, leicht und mit feiner Struktur, harmoniert dagegen gut mit zarterem Fleisch, etwa Kalb oder Ente, und in manchen Fällen auch mit gegrilltem Lachs — vorausgesetzt, der Wein bleibt elegant und nicht zu tanninbetont.
Alkohol und Salz: Balance und Wirkung
Salz und Alkohol verhalten sich in der Wahrnehmung gegensätzlich. Salz mildert die Schärfe des Alkohols und lässt den Wein runder erscheinen. Ein Merlot oder Grenache mit reifem Alkohol wirkt zu salzigen Speisen — etwa jambon de Bayonne oder gereiftem Comté — weicher und voller.
Doch je höher der Alkohol, desto vorsichtiger muss man kombinieren: In Verbindung mit stark gesalzenem oder sehr fettem Essen kann ein Wein mit viel Alkohol brandig oder ermüdend wirken. Besonders bei Weinen aus heißen Jahrgängen oder mit viel Reife sollte man diese Wechselwirkung im Blick behalten.
Süße und Säure: feine Balance
Ein wenig Süße, ob im Wein oder im Gericht, kann Säure und Schärfe ausbalancieren. In der mediterranen Küche finden sich immer wieder Elemente natürlicher Süße — etwa glasierte Schalotten, Tomatenkonfit, Kürbis oder Feigen.
Weine wie Grenache Gris oder Viognier mit ihrer weichen Frucht und gelegentlich leichtem Restzucker begleiten solche Speisen oft sehr schön. Ein Sauvignon Blanc mit straffer Säure verlangt hingegen einen klaren Kontrapunkt und passt eher zu Gerichten ohne spürbare Süße.
Wird das Gericht selbst von Säure geprägt — etwa durch Zitronensaft oder Essig — sollte der Wein genügend Frische und Körper mitbringen, um nicht dünn oder kantig zu wirken.
Aromen, Gewürze und Kräuter
Schließlich sind es die Aromen von Wein und Speise, die im Zusammenspiel ein neues Geschmacksbild ergeben. Mediterrane Kräuter — Rosmarin, Thymian, Lavendel — harmonieren hervorragend mit südfranzösischen Rebsorten wie Grenache, Syrah oder Carignan, die ähnliche Noten ins Glas bringen.
Gegrillte oder geschmorte Speisen mit Röstaromen verlangen nach Weinen mit entsprechender Tiefe: ein gereifter Cabernet, ein würziger Merlot oder ein runder Grenache entfalten hier ihren vollen Charakter.
Fein gewürzte Speisen, etwa ein Kaninchenragout mit Tapenade, profitieren von der aromatischen Breite eines Viognier oder Roussanne — Weine, die Frucht und Würze tragen, ohne die feinen Noten des Gerichts zu überdecken.
Warum Weißwein zu Fisch?
Dass Weißwein häufig besser zu Fisch passt, liegt nicht an einer alten Regel — sondern daran, dass die meisten Menschen es als stimmig empfinden.
Fisch enthält wenig Eiweiß, dafür zarte Fettanteile. Tanninreiche Rotweine wirken in diesem Zusammenhang rasch bitter oder metallisch. Frische, säurebetonte Weißweine — Sauvignon Blanc, Grenache Gris — oder ein sehr feiner, kühler Pinot Noir passen besser zur Textur und dem feinen Geschmack des Fisches.
Wein zum Essen: Probieren statt Regeln
Die Harmonie von Wein und Speise entsteht im Mund. Wer die Wechselwirkungen von Säure, Fett, Tannin, Alkohol und Aromen versteht, kombiniert bewusster — und mit mehr Freude.
Dabei gibt es keine starren Gesetze. Vieles basiert auf Erfahrung und darauf, wie wir Geschmack wahrnehmen. Manches schmeckt fast allen Menschen harmonisch — anderes lebt von Spannung und Kontrast.
Entscheidend ist: Der Wein soll das Gericht nicht erschlagen — und umgekehrt. Wenn beides einander hebt, entsteht ein Mehr an Genuss.
Perfektion den Profis überlassen
Die Suche nach dem perfekten Wein zum Essen, wie auch der perfekten Temperatur - wenn der Weinkühlschrank schon Fächer in 1/2 Gradeinteilung bietet... es wird selten funktionieren. In einem Sternerestaurant, wo das Essen bei jedem Gericht exakt gleich schmeckt und bei einem bestens bestückten Weinkeller kann ein bestens ausgebildeter Sommelier einen im Prinzip perfekten Wein auswählen. Ist am Tisch die Stimmung schlecht, wird der Wein wenig Freude machen, frisch verliebt umso mehr.
In der privaten Küche wird selbst nach Rezept jedes Mal ein wenig anders gekocht. Es steht nur eine begrenze Anzahl an Weinen im eigenen Keller zur Verfügung und auch ein eigens gekaufter Wein kann nur so in etwa zum Essen passen.
All dies ist auch nicht so wichtig: Wein zum Essen ist eine Freude und mit einer gewissen Neugier ist es immer wieder eine neue Erfahrung. Das ist es, was die Freude am Wein zum Essen ausmacht und nicht der perfekte Match.