Aromen als Freude am Wein, nicht als Wissenschaft
Wein ist nicht nur ein Getränk, sondern eine Erfahrung, die alle Sinne anspricht. Besonders der Geruch und Geschmack machen das Weintrinken zu einem besonderen Erlebnis. Für viele Weinliebhaber kann die Welt der Aromen jedoch überwältigend sein.
Auf die eigene Nase vertrauen
Aromenräder und detaillierte Beschreibungen auf Weinflaschen können den Eindruck erwecken, man müsse ein Experte sein oder zig Aromen identifizieren können, um Wein wirklich genießen zu können. Was Unfug ist und hier solche Diagramme nicht auftauchen.
Ein Gefühl für die Herkunft und das Gleichgewicht der Aromen zu entwickeln ist es, was die Freude am Wein ausmacht.
Die Beschreibung der Aromen im Wein ist eher für Anfänger gedacht, doch auch Menschen, die schon einige Korken gezogen haben, werden das eine oder andere finden.
Primäraromen: Die Stimme der Traube
Primäraromen sind die Aromen, die direkt von der Traube stammen. Sie sind das Ergebnis der Rebsorte und des Terroirs, also des Bodens, des Klimas und der geografischen Lage, in der die Trauben gewachsen sind. Diese Aromen sind am deutlichsten in jungen Weinen zu erkennen und geben einen ersten Eindruck der Rebsorte, aus der die Winzer den Wein erzeugt haben.
Primäraromen im Wein stammen rein aus der Rebsorte. In einer Assemblage, die man auf Deutsch Cuvée nennt, als ein Wein verschiedener Rebsorten, ist es die Summe dieser Noten, die das primäre Aroma eines Weines ausmachen.
Wie entstehen Primäraromen?
Primäraromen entwickeln sich während der Reifung der Trauben am Weinstock. Die Zusammensetzung des Bodens, die Sonneneinstrahlung und die Temperatur spielen eine entscheidende Rolle. Winzer können diese Aromen durch die Wahl des Standorts, die Rebsorte und die Pflege der Weinberge beeinflussen. Trauben können etwa, die in kühleren Klimazonen wachsen, mehr Säure und frische Fruchtaromen entwickeln, während Trauben aus wärmeren Regionen oft reifere, fruchtigere Aromen aufweisen.
Typische Primäraromen
Weiße Rebsorten:
- Sauvignon: Stachelbeere, Holunderblüte, frisch gemähtes Gras
- Chardonnay: Apfel, Birne, Melone, tropische Früchte
- Viognier: Pfirsich, Aprikose, Orange, Honig
- Grenache Gris: Zitrusfrüchte, Birne, Melone
Rote Rebsorten:
- Grenache: Erdbeere, Himbeere, Kirsche
- Syrah: Schwarze Johannisbeere, Pflaume, Lakritz, grüner Paprika
- Mourvèdre: Brombeere, Pflaume, Leder, Wildbret
- Carignan: Kirsche, Himbeere, Gewürze, Tabak
Sekundäraromen: Die Kunst der Gärung
Sekundäraromen entstehen während des Gärungsprozesses, bei dem der Zucker im Traubensaft durch Hefen in Alkohol umgewandelt wird. Dieser Prozess findet entweder spontan durch natürliche Hefen oder durch gezielt zugesetzte Hefestämme statt. Die Wahl der Hefe und die Gärbedingungen haben einen großen Einfluss auf die Entwicklung der Sekundäraromen. Sekundäraromen und ihre Entstehung sind ein faszinierender Aspekt der Weinherstellung.
Wie entstehen Sekundäraromen?
Während der Gärung produzieren Hefen nicht nur Alkohol, sondern auch eine Vielzahl von Aromastoffen, die dem Wein zusätzliche Komplexität verleihen. Die Temperatur, die Dauer der Gärung und die Art der Hefe spielen dabei eine entscheidende Rolle. Winzer können durch die Kontrolle dieser Faktoren die Entwicklung bestimmter Aromen fördern oder unterdrücken.
Typische Sekundäraromen
- Buttrige Noten: Besonders bei Chardonnay, der in Barrique-Fässern vergoren wird.
- Hefige Noten: Oft bei Schaumweinen wie Champagner zu finden.
- Blumige Noten: Bevorzugt bei Weißweinen aus Aromensorten wie Viognier.
Tertiäraromen: Die Noten der Reife
Tertiäraromen entwickeln sich während der Reifung des Weins, sei es im Edelstahltank, im Holzfass oder in der Flasche. Diese Aromen sind das Ergebnis von chemischen Reaktionen oder physikalischen Vorgängen, die über Monate oder Jahre hinweg stattfinden.
Was bei der Reife passiert
Luft etwa gelangt über den Korken langsam in die Flasche und mindert die Säure. Bei tiefer Temperatur fallen einige Gerbsäuren als Feststoff aus dem Wein und sammeln sich auf dem Boden - der Wein wird milder, aber auch weniger gut haltbar.
Eine wesentliche Änderung ist die Umwandlung der frischen Aromen zu komplexen: aus einer hellen Erdbeere im Duft wird ein eher kompottartiger Duft.
Die Summe dieser Vorgänge verleiht dem Wein zusätzliche Komplexität und Tiefe.
Wie entstehen Tertiäraromen?
Die Reifung des Weins kann in verschiedenen Behältern stattfinden, wobei Holzfässer und Edelstahltanks die gängigsten sind. Holzfässer, insbesondere aus Eiche, verleihen dem Wein zusätzliche Aromen wie Vanille, Karamell und Gewürze.
Die Dauer der Reifung und die Art des Behälters haben einen großen Einfluss auf die Entwicklung der Tertiäraromen. Winzer können durch die Wahl des Reifeprozesses die Aromen des Weins gezielt steuern.
Typische Tertiäraromen
- Vanille und Karamell: Besonders bei Weinen, die in Eichenfässern gereift sind.
- Leder und Tabak: Oft bei gereiften Rotweinen wie Mourvèdre oder Carignan zu finden.
- Nüsse und Honig: Ausgeprägt bei gereiften Weißweinen wie Chardonnay oder Viognier.
Tipp
Man muss ausgeprägte Tertiäraromen nicht mögen, auch wenn sich in Runden gerne wortgewaltig darüber unterhalten wird.Damit Sie in solchen Situationen was zum Schmunzeln haben: Der Geruchssinn nimmt oft Schaden bei winterlichen Infekten. Wer viele Winter erlebt hat, riecht oft vieles nicht mehr so gut und kann gerne gehörig daneben liegen im Urteil über Weine.
Das muss nicht so sein, aber lässt manches Geschwätz unterhaltsamer erscheinen.
Nicht jedermanns Sache
Tertiäraromen der Reifung entstehen über einen langen Zeitraum, den viele Weinfreunde dem Wein nicht geben. Diese Art der Aromen ist daher vielen Leuten fremd und ungewohnt. Oft wirken daher tertiäre Aromen auf Ungeduldige - man kann auch sagen: normale Leute - eher unangenehm. Eine durchaus typische Reaktion auf einen Wein mit Tertiäraromen ist: «Herr Henke, der Wein ist überlagert, irgendwie umgekippt.»
Ausgeprägte Tertiäraromen durch die Reife in der Flasche
Die Idee, wie schön Weine reifen können, erfordert Zeit und Erfahrung. Und selbst dann begeistern solche Aromen - besonders, wenn sie ausgeprägter sind - nicht gleichermaßen. So herrlich Noten von Würze und Leder sein können: Sie gehen zulasten der Frucht und erscheinen selbst im idealen Fall eines perfekt gereiften, ausdrucksvollen Rotweines aus Gigondas so, dass man sich denkt: Viel weiter sollte die Reife nicht gehen.
Das Gleichgewicht der Aromen
Das wahre Geheimnis eines großartigen Weins liegt im Gleichgewicht der Aromen. Ein harmonischer Wein vereint Primär-, Sekundär- und Tertiäraromen auf eine Weise, die den Gaumen verwöhnt und die Sinne begeistert.
Es geht nicht darum, jedes einzelne Aroma zu identifizieren, sondern vielmehr darum, das Zusammenspiel der verschiedenen Aromen zu genießen. Das Gleichgewicht der Aromen im Wein ist das, was einen guten Wein von einem großartigen Wein unterscheidet.
Die Freude am Wein
Wein zu trinken sollte primär eines sein: ein Genuss. Lassen Sie sich nicht von komplexen Aromenrädern oder detaillierten Beschreibungen einschüchtern. Es geht nicht darum, ein Experte zu sein, sondern darum, die Vielfalt und Komplexität des Weins zu schätzen und zu genießen. Jeder Wein hat seine eigene Geschichte zu erzählen, und jede Flasche ist eine Einladung, diese Geschichte zu entdecken. Wein genießen ohne Vorkenntnisse bedeutet, sich auf die Sinne einzulassen und die Aromen zu erkunden.
Weinaromen kurz gefasst:
Die Welt der Wein-Aromen ist faszinierend und vielfältig. Von den frischen Primäraromen der Traube über die komplexen Sekundäraromen der Gärung bis hin zu den tiefgründigen Tertiäraromen der Reifung – jeder Wein hat seine eigene, einzigartige Aromenwelt zu bieten. Es geht nicht darum, jedes Aroma exakt zu identifizieren, sondern darum, das Gleichgewicht und die Harmonie der Aromen zu genießen. Lassen Sie sich auf diese Reise ein und entdecken Sie die Freude am Wein. Prost!