Arabische Einflüsse auf die Kultur des Roussillon

In Zeiten relativer Schwäche fränkischer oder gotischer Herrschaft drangen muslimische Truppen tief in das heutige Südfrankreich vor.

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Arabische Einflüsse auf die Kultur des Roussillon

Araber und Berber im Roussillon

Zwischen dem 8. und 10. Jahrhundert kam es im Gebiet des heutigen Roussillon – ebenso wie in angrenzenden Teilen Kataloniens und des südlichen Languedoc – zu Episoden muslimischer Präsenz.

Diese Phase war prägend auch für die mittelalterliche Küche Südfrankreichs, insbesondere im Hinblick auf Einflüsse aus Nordafrika auf die Küche im Roussillon. Die historischen Kontakte zwischen arabisch-berberischen Gruppen und der lokalen Bevölkerung legten Spuren, die bis heute in der typischen Küche des Roussillon sichtbar sind.

Araber und Berber – Herkunft und Funktionen

Die Araber als führende, treibene Kräfte

Die Araber – ethnisch und sprachlich aus dem Raum des heutigen Saudi-Arabien, Oman, Jemen und Teilen Syriens – hatten die religiöse und administrative Elite des islamischen Kalifats gebildet. Sie übernahmen in der Regel die Steuerung von Verwaltungszentren, leiteten Militäraktionen und waren Träger der schriftlichen Überlieferung. Ihre Expansion war nicht nur religiös motiviert, sondern ebenso strategisch und ökonomisch: Kontrolle über Handelswege, Ressourcen und Tributstrukturen. [1]

Die Berber wurden zu Kriegern der Araber

Die Berber – heute meist als Amazigh bezeichnet – stammten aus verschiedenen indigenen Bevölkerungen Nordafrikas, die bereits vorislamisch über einen differenzierten Stammesaufbau, eigene Sprachen (etwa Tamazight) und religiöse Vielfalt verfügten. 

Die Berber lebten in Stammesverbänden mit eigener Führung – teils matrilinear (Erbfolge über die Mutterlinie), was Frauen eine stärkere Rolle geben konnte. Die bedeutenste Führerin der Berber, die auch die Verteidigung gegen die Araber anführte, war al-Kahina im 7. Jahrhundert.

Die Araber siegten militärisch, vor allem durch besser organisierte Heere, politische Strukturen und religiösen Sendungsanspruch. Der Sieg war jedoch nur eine Schlacht. Die Kontrolle über ländliche Regionen blieb schwierig, viele Berberstämme leisteten weiterhin Widerstand. Sie hatten keine zentrale politische Struktur, sondern lebten in dezentralen Stammesverbänden, oft unter lokalen Fürsten, die sich lange den Arabern widersetzten.

Schliesslich setzte sich Pragmatismus durch und die Berber arrangeierten sich mit den Arabern, viele konvertierten zum Islam.

Vor der Islamisierung praktizierten sie sowohl Formen lokaler Polytheismen als auch Christentum und Judentum. Im Zuge der arabischen Expansion konvertierten viele berberische Gruppen zum Islam. Die Integration war jedoch keine vollständige Arabisierung: Sprache, lokale Herrschaftsformen und kulturelle Praktiken blieben in weiten Teilen erhalten. [2]

Militärische Bedeutung

Berberische Einheiten bildeten in der Folge den zahlenmäßig bedeutendsten Teil der islamischen Truppen, die in Al-Andalus und bis in das südliche Frankenreich militärisch aktiv wurden. Sie trugen wesentlich zur Expansion islamischer Herrschaftsgebiete im westlichen Mittelmeerraum bei. Viele Gruppen wurden dauerhaft in Grenzregionen angesiedelt. Später entwickelten sie politische Eigenständigkeit – etwa in den Dynastien der Almoraviden und Almohaden. [2][3]

Kulturelle Auswirkungen im Roussillon

Im Roussillon selbst war die muslimische Kontrolle punktuell, aber nicht folgenlos. In Zeiten relativer Schwäche fränkischer oder gotischer Herrschaft drangen muslimische Truppen tief in das heutige Südfrankreich vor. Die Grenze zwischen christlich-lateinischer und islamisch-arabischer Machtsphäre verlief über Jahrzehnte hinweg variabel. In dieser Phase kam es zu dauerhaften Kontakten: militärisch, wirtschaftlich, administrativ und kulturell. [4]

Einflüsse auf Landwirtschaft und Ernährung

Technik und Vielfalt

Die islamisch geprägten Gruppen brachten zahlreiche Innovationen in Landwirtschaft und Ernährung mit, die sich in der Region etablierten – unabhängig von der späteren Rückeroberung. Dazu gehörten Bewässerungssysteme, Terrassenbau und neue Nutzpflanzen wie Safran, Granatäpfel, Kreuzkümmel, Zitrusfrüchte und Mandeln. [3]

Kulinarische Spezialitäten des Roussillon

Die Kombination aus süß und salzig, das Einlegen von Gemüse, die Verwendung von Rosinen, Honig und Zimt in Schmorgerichten, sowie die Lufttrocknung von Fleisch und Gemüse gelten bis heute als Merkmale der kulinarischen Spezialitäten des Roussillon. Viele dieser Elemente sind auch typisch für die Gewürze in der südfranzösischen Küche. [4]

Wein und Küche im Roussillon

Auch wenn unter islamischer Herrschaft der Weinbau nicht gefördert wurde, blieb er wirtschaftlich bedeutend. Später wurde er mit den eingeführten Gewürzen und Zubereitungen verbunden. So entstand eine geschmacklich differenzierte Verbindung von Wein und Küche im Roussillon, die bis heute charakteristisch ist. [5]

Historische Kontinuität

Nach der Rückverdrängung islamischer Herrschaft durch karolingische und lokale Grafen verloren arabisch-berberische Gruppen an Macht und Sichtbarkeit. Dennoch blieben viele ihrer kulturellen und technischen Impulse erhalten. Anders als in Kastilien kam es im Roussillon nicht zu vollständiger Auslöschung dieser Schicht. Die Integration war oft lokal, pragmatisch und auf Gebrauchswissen bezogen.

Erbe auf dem Teller

Was heute als typische Küche des Roussillon gilt, ist keine rein französisch-katalanische Entwicklung, sondern das Resultat aus Jahrhunderten kultureller Überlagerung. Die Einflüsse aus Nordafrika auf die Küche im Roussillon zeigen sich in Rezepten, Zutaten, Techniken. [1][3][4]

Quellen

  1. Hugh Kennedy: The Great Arab Conquests: How the Spread of Islam Changed the World We Live In, London 2007.
  2. Jamil Abun-Nasr: A History of the Maghrib in the Islamic Period, Cambridge University Press, 1987.
  3. Andrew M. Watson: Agricultural Innovation in the Early Islamic World, Cambridge University Press, 1983.
  4. Amira K. Bennison: The Almoravid and Almohad Empires, Edinburgh University Press, 2016.
  5. Christophe Picard: La mer et les musulmans d’Occident au Moyen Âge, Paris: PUF, 1997.
Thomas Henke schreibt seit über 20 Jahren im weinraum über Wein, Winzer, Regionen und den Genuß von Wein. Mehr über den Autor.
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