Adstringierender Wein

Adstringenz ist ein prägender Bestandteil strukturreicher Weine. Sie verleiht Griff, Tiefe und Reifepotenzial. Entscheidend ist, dass sie in Balance steht.

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Adstringierender Wein

Der Wein macht den Gaumen rauh

Adstringenz beschreibt im Wein eine taktile Wahrnehmung im Mund, die als rau, pelzig, trocken oder zusammenziehend empfunden wird. Sie entsteht durch einen physikalisch-chemischen Effekt: Bestimmte Inhaltsstoffe – insbesondere Phenole wie Tannine – reagieren mit Speichelproteinen, wodurch deren Struktur verändert wird. Die Proteine fallen aus, verlieren ihre Gleitfähigkeit – es entsteht das charakteristische Gefühl von Trockenheit auf der Zunge und dem Gaumen.

Ursachen: Tannine und ihre chemische Wirkung

Adstringenz entsteht primär durch Tannine, pflanzliche Gerbstoffe aus der Gruppe der Polyphenole. Diese stammen aus:

  • den Traubenschalen
  • den Kernen
  • den Stielen (sofern mitvergoren)
  • dem Holzfass (z. B. bei Barrique-Ausbau)

Die Tannine binden über hydrophobe Wechselwirkungen und Wasserstoffbrücken an Speichelproteine – insbesondere prolinreiche –, die daraufhin ausfallen. Die Schleimhäute verlieren ihre Gleitfähigkeit, was zu einem trockenen Mundgefühl führt.

Rebsorten mit ausgeprägter Adstringenz

Einige Rebsorten sind besonders reich an Tanninen oder erzeugen strukturreiche Tannine mit höherer Adstringenz. Dazu zählen:

  • Cabernet Sauvignon – besonders in kühleren Lagen mit betont kräftiger Gerbstoffstruktur
  • Malbec – vor allem im Cahors, mit dunkler Farbe, fester Struktur und oft kerniger Adstringenz
  • Nebbiolo – mit stark ausgeprägten, langlebigen Tanninen
  • Pinot Noir – mit feineren Tanninen, bei früher Lese aber ebenfalls spürbarer Adstringenz
  • Tannat – eine der tanninreichsten Rebsorten überhaupt

Einfluss im Weinberg

Bereits im Weinberg kann der Grundstein für die spätere Adstringenz gelegt werden:

  • Laubarbeit und Ertragsreduktion fördern die Traubenreife und damit die Polymerisation der Tannine
  • Lesezeitpunkt: Je später die Lese, desto weicher die Tannine
  • Selektion: Unreife oder beschädigte Trauben erhöhen die Adstringenz und sollten konsequent aussortiert werden

Einflussmöglichkeiten im Weinkeller

Im Weinkeller stehen gezielte Maßnahmen zur Verfügung, um die Adstringenz sensorisch zu gestalten oder zu mindern:

  • Maischekontakt: Längere Mazeration erhöht die Tanninextraktion, insbesondere aus Kernen
  • Temperaturführung: Höhere Temperaturen fördern die Extraktion phenolischer Stoffe
  • Pigeage und Remontage: Unterstoßen oder Überpumpen der Maische beeinflusst die Tanninstruktur
  • Stielvergärung: Stiele bringen andere Tanninfraktionen ein – strukturierend, aber oft gröber
  • Pressdruck: Hoher Druck fördert die Extraktion bitterer Kern-Tannine
  • Biologischer Säureabbau: Verschiebt den pH-Wert und kann Tannine weicher erscheinen lassen
  • Holzausbau: Neue Eiche bringt zusätzliche Tannine; bei längerer Lagerung oxidieren diese zu weicheren Formen
  • Eiweißschönung: Eiklar oder pflanzliche Proteine binden überschüssige Tannine
  • Mikrooxigenation: Dosierte Sauerstoffzufuhr polymerisiert Tannine und reduziert ihre Adstringenz

Adstringierender Wein

Adstringenz ist ein prägender sensorischer Bestandteil strukturreicher Weine. Sie verleiht Griff, Tiefe und Reifepotenzial – vornehmlich bei Rebsorten wie Cabernet Sauvignon oder Malbec. Entscheidend ist, dass sie in Balance steht: Reife Tannine, kontrollierte Vinifikation und ausreichende Reifezeit ermöglichen adstringierende Weine mit Eleganz und Lagerfähigkeit. 

Der bewusste Umgang mit den Parametern von Boden, Klima, Traube und Ausbau entscheidet über die sensorische Qualität – und macht Adstringenz zu einem gestaltbaren Element der Weinbereitung.

Thomas Henke schreibt seit über 20 Jahren im weinraum über Wein, Winzer, Regionen und den Genuß von Wein. Mehr über den Autor.
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