Verschnitt

Der Verschnitt von Weinen ist eine Jahrhunderte alte Praxis. Berichteten Winzer anderer Länder gerne über ihre Ideen, war Heinz Schenk lange das Maß der Weinkommunikation.

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Verschnitt

Die Praxis des Verschneidens und Schweigens

Wein wird seit Jahrhunderten verschmolzen, ergänzt, abgestimmt – kurz: verschnitten. In kaum einem Bereich der Lebensmittelherstellung ist das so üblich.

In Deutschland wurde das Verschneiden von Weinen konsequent verschwiegen, weil die Winzer ihren Kunden lieber lustige Geschichten erzählten, statt ihre Arbeit oder ihren Wein zu erklären. Und die Kunden es auch nicht sonderlich interessierte. Das ging bis zu den Weinskandalen gut, dann kam das Verschneiden zusammen mit dem Panschen an die Luft und der Schaden war immens. Weil der Verschnitt in einen Topf mit dem Gepansche geworfen war und dort bis heute geblieben ist.

Das hat sich in den letzten Jahrzehnten sehr stark geändert und nimmt auch jetzt immer weiter zu. Die Winzer erklären sehr viel mehr, weil sie auch sehr viel mehr Engagement in ihre Weine investieren und etwas zu erklären haben.

In Frankreich, Italien und Spanien hingegen gilt die Assemblage, der Uvaggio oder der Coupage als Teil der handwerklichen Praxis – manchmal sogar als kultureller Ausdruck. Der folgende Überblick zeigt die unterschiedlichen Traditionen, Begrifflichkeiten und rechtlichen Handhabungen.

Deutschland: Verschnitt als sprachliches Tabu

  • Historische Praxis: Bereits vor dem Weingesetz von 1971 war es üblich, Rebsorten wie Elbling, Müller-Thurgau oder Kerner zum Riesling zu geben – besonders an der Mosel, im Saartal oder in kühleren Lagen.
  • Nach 1971: Die sogenannte 85%-Regel erlaubt, dass ein Wein mit Sortenbezeichnung bis zu 15 % anderer Rebsorten enthalten darf – ohne Deklarationspflicht.
  • Skandale und Sprachpolitik: Der Glykolskandal von 1985 und frühere Panschereien machten den Begriff „Verschnitt“ zum Makel. Winzer begannen, ihn zu meiden. Die Begriffe Cuvée oder Edition wurden eingeführt, um positive Konnotationen zu schaffen.
  • Ergebnis: Die Praxis ist legal, verbreitet und oft handwerklich sinnvoll – wird aber in Deutschland sprachlich verschwiegen oder umetikettiert.

Frankreich: Die Assemblage als Teil der Herkunft

  • Assemblage = Gestaltung: In Bordeaux, im Languedoc, in Châteauneuf-du-Pape oder in der Champagne ist die Assemblage zentral. Sie gilt als handwerklicher Ausdruck des Terroirs.
  • Begrifflich neutral oder positiv: Der Begriff assemblage wird nicht mit Panscherei verwechselt – das wäre coupage, ein rechtlich negativ besetzter Begriff, aber selten verwendet.
  • Rechtlich geregelt: Die Appellationsvorschriften (AOC/AOP) definieren genau, welche Rebsorten in welchen Anteilen zugelassen sind. Abweichungen führen zur Deklassierung (z. B. Vin de France).
  • Ergebnis: Die Assemblage ist selbstverständlicher Bestandteil der Qualität – der Begriff wird offen und wertfrei verwendet.

Italien: Uvaggio als gesetzlich geregelte Mischung

  • Uvaggio = gesetzlich definierte Mischung: Im Unterschied zu Frankreich ist in Italien oft exakt geregelt, welche Rebsorten in welchen Anteilen enthalten sein müssen (z. B. Chianti: min. 80 % Sangiovese).
  • Begriffsdifferenzierung: Uvaggio bezeichnet die Mischung vor der Gärung (meist im Weinberg geerntet), assemblaggio die Mischung nach der Gärung.
  • Keine Stigmatisierung: Der Begriff ist rein technisch und wird öffentlich verwendet – kein Sprachvermeiden wie im Deutschen.
  • Ergebnis: Die Mischung ist Teil des Konzepts einer DOC oder DOCG, nicht deren Gegenteil.

Spanien: Coupage, Mezcla – zwischen Praxis und Marketing

  • Pragmatische Herangehensweise: In Spanien wird seit jeher fleißig gemischt – sei es in Rioja (Tempranillo + Garnacha), Ribera del Duero oder Priorat.
  • Begriffe: Coupage (französisch geprägt, meist in Rioja verwendet), mezcla (neutrale Mischung), auch ensamblaje.
  • Marketingaffin: In jüngerer Zeit wird «Coupage» stilisiert – auch für einfache Weine. Gleichzeitig ist die Offenheit größer als in Deutschland.
  • Regelwerke: Auch in Spanien regeln DOP/DO-Vorgaben den Sorteneinsatz (z. B. Rioja Reserva), aber oft großzügiger als in Frankreich oder Italien.

Zusammenfassung als Vergleichstabelle

Land Begriff(e) Sprachliche Konnotation Rechtliche Handhabung Öffentlicher Umgang
Deutschland Verschnitt, Cuvée negativ (Verschnitt), neutralisiert durch „Cuvée“ 85 % Regel, keine Deklarationspflicht meist verschwiegen
Frankreich Assemblage, Cuvée positiv bis neutral strenge AOP-Vorgaben selbstverständlicher Bestandteil des Winzerstils
Italien Uvaggio, Assemblaggio neutral, präzise Uvaggio oft gesetzlich festgelegt (DOC/G) transparent, technisch
Spanien Coupage, Mezcla neutral, oft marketinggeprägt flexibel innerhalb DO/DOP-System offen, zunehmend stilisiert
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