Rebsorten für die Weinerzeugung

Weltweit gibt es über 10.000 verschiedene Rebsorten, von denen jedoch nur ein Bruchteil für die kommerzielle Weinherstellung genutzt wird.

Aktualisiert am  
Rebsorten für die Weinerzeugung

Ursprung und Verbreitung der Rebsorten

Rebsorten sind das Fundament des Weins. Sie bestimmen, was im Glas landet – von der Farbe über die Aromatik bis hin zur Struktur und Lagerfähigkeit. Jede Sorte bringt ihre eigene genetische Handschrift mit, die sich im Zusammenspiel von Klima, Boden und Ausbau entfaltet. Heute kennt man weltweit über 10.000 Rebsorten, doch ihre Geschichte ist geprägt von wechselnden Moden, Katastrophen und gezielter Selektion.

Die Domestikation der Weinrebe begann vor rund 8000 Jahren im Kaukasus. Von dort aus breiteten sich die ersten kultivierten Rebstöcke über Anatolien in den Mittelmeerraum aus. Mit den Phöniziern und Griechen gelangten Reben an die Küsten Süditaliens und Galliens. Es waren römische Händler und Legionäre, die systematisch Stecklinge in ihre Provinzen brachten – bis in die Täler von Mosel und Rhein. Schon früh begannen Winzer, besonders erfolgreiche Rebstöcke durch vegetative Vermehrung zu erhalten. So entstanden die Vorläufer vieler heutiger Sorten.

Klöster und die Entwicklung des Terroir-Verständnisses

Im Mittelalter übernahmen die Klöster die Rolle der Bewahrer und Veredler. Mönche in Burgund kartierten akribisch, welche Reben auf welchen Böden am besten gediehen. Im Rheingau dokumentierten Zisterzienser die Besonderheiten einzelner Pinot- und Riesling-Varianten. Auch in Limoux, am Rande der Pyrenäen, wurde früh gezielt auf Selektion und Klonmanagement gesetzt. Solche frühen Beobachtungen bildeten die Grundlage für das heutige Verständnis von Terroir.

Die Reblauskrise und ihre Folgen

Die größte Zäsur kam im 19. Jahrhundert: Die Reblaus, ein winziger Schädling aus Nordamerika, vernichtete große Teile der europäischen Weinberge. Nur wenige Sorten konnten durch Pfropfung auf resistente amerikanische Wurzeln erhalten werden. Die Wiederaufforstung brachte eine radikale Reduktion der Sortenvielfalt – viele alte Rebsorten verschwanden, einige wenige wurden zum globalen Standard.

Wie Rebsorten den Charakter des Weins prägen

Sauvignon Blanc etwa, ursprünglich aus dem Loiretal und Bordeaux, wurde zur internationalen Leitrebsorte für frische, aromatische Weißweine. Viognier, lange fast vergessen, erlebte ab den 1980er Jahren eine Renaissance und steht heute für üppig duftende Weine aus dem nördlichen Rhône-Tal. Grenache Gris, eine helle Mutation der alten mediterranen Grenache-Familie, liefert elegante, würzige Weißweine im Süden Frankreichs. Carignan, einst als robuste Masseweinrebe verrufen, zeigt heute in alten Rebbeständen sein feines, kräuterwürziges Potenzial.

Auch bei den roten Rebsorten wurden bestimmte Linien weltumspannend verbreitet. Merlot, ursprünglich aus Bordeaux, ist heute einer der meistangebauten Rotweine der Welt und bekannt für seine weichen, fruchtbetonten Weine. Malbec, einst aus Cahors, fand in Argentinien eine neue Heimat und bringt dort kraftvolle, dunkle Weine hervor. Cabernet Sauvignon, eine vergleichsweise junge Kreuzung aus Cabernet Franc und Sauvignon Blanc, liefert strukturierte, langlebige Weine von Bordeaux bis nach Kalifornien. Syrah, die große Rhône-Sorte, zeigt je nach Herkunft ein breites Spektrum von würziger Frucht bis hin zu rauchigen, fleischigen Noten.

Warum nicht jede Rebsorte überall gedeiht

Doch nicht jede Rebsorte gedeiht überall gleich gut. Das Zusammenspiel von Geologie, Klima und Rebe entscheidet darüber, ob ein Wein Charakter und Tiefe entwickelt oder flach bleibt. In Burgund etwa entfaltet Pinot Noir auf kalkreichen Mergelböden seine filigrane Aromatik, während er in wärmeren Gegenden an Finesse verliert. Riesling auf Schieferterrassen an der Mosel zeigt eine rassige Säure und ausgeprägte Mineralität, während die gleiche Sorte auf schwereren Böden deutlich weicher gerät. Cabernet Sauvignon wiederum benötigt lange Vegetationsperioden und durchlässige Böden, um sein volles Potenzial zu erreichen.

Der Einfluss des Ausbaus

Rebsorten prägen aber nicht nur die Aromatik des Weins, sondern auch seine Struktur. Sie liefern die Grundbausteine: Zucker, Säure, Tannin. Was daraus im Glas entsteht, hängt maßgeblich von der Arbeit im Keller ab. Spontangärung, kontrollierte Temperaturführung, der Ausbau im Holzfass – all dies formt die Ausdruckskraft einer Sorte. Sauvignon Blanc, bei kühler Vergärung, zeigt frische Noten von Stachelbeere und Limette; bei wärmerer Gärung dominieren exotische Fruchtaromen. Pinot Noir kann durch lange Maischestandzeiten mehr Tannin und Struktur gewinnen oder durch zarte Extraktion seine Eleganz bewahren.

Rebsorten im Weinberg – Wissen und Handwerk der Winzer

Im Weinberg entscheidet sich, was eine Rebsorte tatsächlich zeigen kann. Jede Sorte verlangt eigene Pflege: Schnitt, Laubarbeit, Lesezeitpunkt – und das abgestimmt auf den Standort. In den kalkhaltigen Hügeln des Burgund wissen die Winzer seit Jahrhunderten, wie Pinot Noir auf kleinsten Bodenunterschieden anders reift. An der Rhône steuern sie mit gezieltem Laubschnitt, wie Syrah mit der Sommerhitze umgeht. Im Roussillon braucht alter Carignan auf Schieferböden weniger Eingriffe, lebt aber von präzisem Lesezeitpunkt.

Rebsorten sind immer in Beziehung zu den Böden und dem Klima der jeweiligen Region. Sauvignon Blanc von den Silex-Böden der Loire entwickelt eine ganz andere Spannung als derselbe Klon im Marlborough Valley. In Südtirol entfaltet Lagrein auf warmen Schotterböden seine Kraft, während Nebbiolo im Piemont kühlere Hanglagen braucht, um Eleganz und Struktur auszubilden.

Für die Winzer ist das Wissen um die Rebsorte und ihre Eigenheiten im Weinberg gelebtes Handwerk. Wann werden Triebe gekürzt, wie dicht bleibt das Laub, wie wird mit Trockenstress oder kühlen Nächten umgegangen? Diese Entscheidungen prägen den Charakter des späteren Weins weit mehr als technische Eingriffe im Keller. In Südfrankreich etwa zeigt alter Grenache Noir aus Trockenlagen heute wieder, wie traditionelle Rebsorten in passenden Weinbergen eigenständige, lagerfähige Weine ergeben können – fernab von Uniformität.

Mit zunehmendem Verständnis für Terroir gewinnen auch autochthone und vergessene Rebsorten wieder an Bedeutung. In Südfrankreich, Italien oder Spanien pflanzen Winzer gezielt alte Sorten, die an ihr Mikroklima und die jeweiligen Böden angepasst sind. Internationale Leitsorten bleiben wichtig – doch die Vielfalt im Weinberg wächst, getragen vom Wissen der Winzer um das Potenzial jeder einzelnen Rebsorte.

Wer mehr über die Aromen und Stile einzelner Rebsorten erfahren möchte, findet im Artikel Weinaromen mehr Informationen. Wie das Zusammenspiel von Boden und Klima einzelne Sorten prägt, zeigt der Bereich Terroir. Und welche Rolle Ausbau und Kellerarbeit für die Aromen spielen, beleuchtet der Artikel über Arbeiten im Weinkeller.

Thomas Henke schreibt seit über 20 Jahren im weinraum über Wein, Winzer, Regionen und den Genuß von Wein. Mehr über den Autor.
Veröffentlicht auf  Aktualisiert am  

Rebsorten für die Weinerzeugung: Passende Weine im weinraum

    Wie Aromen im Wein entstehen

      Zum Thema passend:

        Dazu aus den Regionen & Winzer

        Passende Winzer

          Aus dem Journal