Temperaturführung bei der Gärung

Sie beeinflusst nicht nur die Dauer und Intensität der Gärung, sondern auch, welche Aromen sich im Wein entwickeln.

Temperaturführung bei der Gärung

Temperaturführung bei der Gärung: Wie Technik und Biochemie den Wein prägen

Die Gärtemperatur zählt zu den wirkungsvollsten Steuerinstrumenten in der Weinbereitung. Sie beeinflusst nicht nur die Dauer und Intensität der Gärung, sondern auch, welche Aromen sich im Wein entwickeln. Hier gibt es einen Überblick, welche Aromen es im Wein gibt und wie sie von der Nase aufgenommen werden.

Darunter Ester wie Apfel oder Banane, Terpene wie Rose und Zitrus, Thiole wie Cassis oder Grapefruit sowie Norisoprenoide, die reifere Noten wie Damaszenerrose, Honig oder Petrol vermitteln.

Wie wird die Gärtemperatur gesteuert?

Die Temperaturregelung erfolgt heute meist über gekühlte Edelstahlbehälter, in denen Glykol- oder Wassersysteme die Wärme gezielt abführen. Digitale Sensoren erfassen kontinuierlich die Temperatur im Inneren des Tanks und regeln automatisch nach. Bei kleineren Gebinden kommen alternative Systeme zum Einsatz:

  • Barrique-Fässer bieten durch ihre geringe Wärmeleitfähigkeit eine träge Temperaturführung, die vor allem bei Rotweinen eine langsamere, gleichmäßigere Gärung unterstützt.
  • Das Betonei erzeugt durch seine Form eine natürliche Zirkulation des gärenden Mosts: Die Hefe wird ständig aufgewirbelt, was die Frische und aromatische Präzision fördert – besonders bei Weißweinen.

Wie die Temperatur die Aromabildung beeinflusst

Die Temperatur beeinflusst direkt die Aktivität der Hefen und die Expression ihres Stoffwechsels. Je nach Temperaturbereich dominieren unterschiedliche Reaktionspfade:

  • Ester bilden sich bevorzugt bei 12–18 °C – ideal für Weißweine, in denen Primärfrucht im Vordergrund stehen soll.
  • Terpene sind in der Beere glykosidisch gebunden. Moderate Gärtemperaturen (16–20 °C) fördern die enzymatische Freisetzung durch Hefen.
  • Thiole werden nur bei reduktiven Bedingungen und maximal 18 °C in nennenswerten Mengen freigesetzt – besonders wichtig für Sauvignon Blanc und Colombard.
  • Norisoprenoide hängen vom Reifegrad der Trauben und reduktiver Kellerführung ab. Langsame Gärung in kühlen, sauerstoffarmen Bedingungen begünstigt ihre Stabilität.

Gärverlauf, Stil und Hefewahl

Ob eine kontrollierte Gärung mit Reinzuchthefen oder eine Spontangärung zum Einsatz kommt, spielt für die Temperatursteuerung eine zentrale Rolle. Spontan gärende Moste starten oft langsam, entwickeln mehr Wärme durch längere Aktivität und erfordern aufmerksames Temperaturmanagement. Der verwendete Hefestamm bestimmt mit, bei welcher Temperatur das Aromapotenzial optimal ausgeschöpft wird.

Verbindung zum Weinberg: Terroir und Laubarbeit

Die Gärung übersetzt, was im Weinberg angelegt wurde. Lichtintensität und Temperatur während der Reife, beeinflusst durch Laubarbeit, steuern die Bildung von Aromavorstufen – etwa Thiol- oder Terpenglykosiden. Die Geologie und Mikroklimatik eines Terroirs geben den Rahmen vor, welche Potenziale der Most ins Fass bringt – und welche durch passende Gärbedingungen aktiviert werden können.

Temperatur als aromatische Regie

Die Gärtemperatur ist kein nebensächlicher Parameter, sondern ein zentrales Gestaltungsmittel. Wer sie gezielt steuert, kann den Charakter des Weins präzise modellieren – von knackig-frisch bis kraftvoll und komplex. In Kombination mit Behälterwahl, Hefemanagement und der Arbeit im Weinberg entfaltet sich ein Stil, der nicht nur technisch geplant, sondern sensorisch nachvollziehbar wird.

Thomas Henke schreibt seit über 20 Jahren im weinraum über Wein, Winzer, Regionen und den Genuß von Wein. Mehr über den Autor.
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