Weinkeller | Aromen. Wie Arbeiten im Weinkeller Aromen lenken

Wie entsteht das Aromabild eines Weins? Welche Rolle spielen Gärtemperatur, Hefen, Fässer und Kellerarbeit? Ein Einblick, wie Winzer die Aromen gezielt lenken.

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Weinkeller | Aromen. Wie Arbeiten im Weinkeller Aromen lenken

Wie die Arbeit im Weinkeller die Aromen beeinflusst

Wer einmal einem handwerklich arbeitenden Winzer in den Keller gefolgt ist, kennt diesen Moment: Ein dichter Strom aus Aromen strömt einem entgegen – feuchtkühle Luft, der Duft gärender Trauben, Frucht und feine Hefenoten.

Je nach Keller und Jahreszeit variieren die Eindrücke. Ein leichter Apfelton eines frisch vergorenen Weißweins, das florale Spiel eines Viognier auf der Hefe. Das kompakte, fruchtige Bouquet eines Gärbehälters mit dem Most roter Beeren; dunkle, würzige Noten, die aus einem Holzfass entweichen, in dem ein Rotwein reift.

Bevor überhaupt gearbeitet wird

Die Arbeit im Keller beginnt mit den Trauben, die vom Weinberg kommen und schnell verarbeitet werden müssen, damit sie nicht zu gären beginnen. 

Wer sich als Winzer erst jetzt überlegt, was wohl zu tun ist, oder sich nichts denkt und einfach wie jedes Jahr gleich arbeitet: Man wird den Wein trinken können — aber gute Weine entstehen so nicht.

Gute Weine entstehen, wenn Winzer schon vor dem Abschneiden der Trauben wissen: Hat dieses Jahr Trauben mit viel oder wenig Aroma; mehr oder weniger Säure hervorgebracht?  Entrappen, oder eben nicht Entrappen? Wie lange bleibt der Most auf der Maische, damit die  Gerbstoffe zum Charakter passen? Was das Jahr und die Arbeit im Weinberg gebracht haben mag: hier wird es vollendet.

Jede dieser Entscheidungen prägt stark die Aromen im Wein - hier werden viele Weichen gestellt und gut ist, wer weiß, welcher Wein entstehen soll.  

Weinkeller als es noch keine Kühlschränke gab

Früher wusste niemand, was genau bei der Gärung geschieht. Die Kellerarbeit war geprägt von Intuition und Erfahrung. Erst der französische Biologe Louis Pasteur wies im 19. Jahrhundert nach, dass Hefen lebende Organismen sind, die den Zucker im Most in Alkohol und Kohlensäure umwandeln. Damit begann die wissenschaftlich fundierte Kellerwirtschaft. Es folgte der technische Fortschritt: große Tanks, Kühlung, Hygiene – das veränderte nicht nur die Arbeit, sondern auch die Aromen. Was das konkret bedeutet, zeigt der Artikel «Was moderne Weinkeller ausmacht».

Gärung: Wo Frucht und Frische entstehen

Die alkoholische Gärung ist das Herzstück der Weinbereitung – und entscheidend für das spätere Aromabild. Bei niedriger Temperatur (12–18 °C) entstehen vor allem Ester: flüchtige, fruchtige Aromen, die an Apfel, Birne oder Banane erinnern. Sie sind typisch für junge, frische Weißweine oder Rosés, bei denen Klarheit und Primärfrucht im Vordergrund stehen.

Je höher die Gärtemperatur, desto mehr entstehen komplexe, oft weniger fruchtbetonte Aromen. In Rotweinen mit Maischegärung kommen zusätzlich Phenole, Tannine und Farbstoffe dazu – die Textur, aber auch Aromen von dunklen Früchten, Gewürzen oder Leder können sich ausbilden.

Die Hefe: Alkohol ist Nebensache

Ob Spontangärung oder gezüchtete Hefe – beide Wege bringen eigene Aromen mit sich. Spontangärungen liefern oft unberechenbare, aber lebendige Resultate: Thiole wie Grapefruit, Cassis oder Rauch treten deutlicher hervor. Reinzuchthefen hingegen ermöglichen gezielte Steuerung – etwa um die Fruchtigkeit zu bewahren oder bestimmte Terpen-Aromen zu fördern, wie sie in Muskateller oder Sauvignon blanc auftreten.

Nach der Gärung beeinflusst auch das Hefelager das Aromabild: Durch Autolyse entstehen Noten von Hefegebäck, Nuss oder Brioche – je nach Dauer und Bewegung. Ein Betonei etwa sorgt durch seine Form für natürliche Zirkulation und damit ein besonders lebendiges, frisches Aromabild auf der Feinhefe. Die permanente Durchmischung verstärkt das Mundgefühl – ohne aromatisch laut zu sein.

Worin gärt und lagert der Wein? Stilprägend und aromatisch wirksam

Die Wahl des Behälters gehört zu den zentralen Stilentscheidungen im Keller. In einem Edelstahltank bleibt der Wein reduktiv, kühl, frisch. Frucht und Präzision stehen im Vordergrund – ideal für Weißweine, bei denen Primäraromen erhalten bleiben sollen.

Ein Barrique hingegen bringt nicht nur Sauerstoff ins Spiel, sondern auch Holznoten: Vanille, Rauch, Zimt oder Toast. Diese Aromen sind nicht „zugesetzt“, sondern entstehen durch die Röstung des Holzes – und den langsamen Luftaustausch durch die Fassporen. Je nach Herkunft und Toastgrad des Fasses fällt die Aromatik weicher, kräftiger oder subtiler aus. Barriques fördern die Reifung – und damit auch tertiäre Aromen, die an Tabak, Leder oder dunkle Schokolade erinnern können.

Assemblage: Vielfalt in einem Wein

Ein weiterer Hebel der Aromenlenkung liegt in der Kombination. Verschiedene Weinberge, Klone, Rebsorten oder Gärpartien werden oft bewusst verschnitten – nicht aus Not, sondern als Methode, Komplexität zu erzeugen. Ein Teil im Stahl, ein Teil spontan vergoren, einer auf der Hefe gelassen – daraus entsteht ein Wein, der nicht linear ist, sondern ein Geflecht aus Duftlinien. Assemblage ist keine technische Maßnahme, sondern Ausdruck von Stil.

Der Charakter vor dem Werkzeug

Doch Technik allein formt keine Aromen. Es braucht eine Haltung. Ein Verständnis für das, was ein Wein werden kann – und für das, was nicht. Winzer, die sich mit dieser Frage auseinandersetzen, arbeiten nicht gegen den Jahrgang, sondern mit ihm. Sie steuern nicht gegen die Rebsorte, sondern holen aus ihr das heraus, was möglich ist. Was das mit Einfachheit, Materialverständnis und Widerständen zu tun hat, lesen Sie hier: «Was Einfachheit mit Wein zu tun hat».

Ein Duft ist kein Zufall

Wenn ein Wein nach Holunder duftet, nach reifem Steinobst, nach Rauch oder Kreide, dann liegt das nicht an der Rebsorte allein. Es liegt an Dutzenden Entscheidungen, die im Keller getroffen wurden – und an anderen, die unterlassen wurden. Ob der Wein gestoßen oder gestochen wurde, ob der Ausbau oxidativ oder reduktiv verlief, ob die Säure erhalten oder abgebaut wurde – alles prägt das, was später im Glas ist. Mehr dazu auch im Beitrag «Der grosse Graben im Weinkeller».

Weinkeller und Aromen - ein enges Miteinander

Die Aromen eines Weins entstehen nicht allein im Weinberg. Sie sind das Produkt aus Rebsorte, Herkunft – und Entscheidungen im Keller. Wer einen Wein versteht, erkennt darin nicht nur Früchte, Kräuter oder Rauch, sondern den Weg, den der Wein gegangen ist. Und der beginnt mit einer offenen Tür und dem ersten Duft, der daraus strömt.

Thomas Henke schreibt seit über 20 Jahren im weinraum über Wein, Winzer, Regionen und den Genuß von Wein. Mehr über den Autor.
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