Glykol im Wein – chemische Eigenschaften, Skandal und aktuelle Lage

Was ist Glykol im Wein? Erfahre, wie der Skandal von 1985 entstand, warum Glykolverbindungen heute verboten sind und wie moderne Weine kontrolliert werden.

Aktualisiert am  
Glykol im Wein – chemische Eigenschaften, Skandal und aktuelle Lage

Glykol im Wein: Chemie, Skandal und heutige Relevanz

Was ist Glykol?

Unter dem Begriff Glykol versteht man zweiwertige Alkohole, die in der chemischen Industrie als Lösungsmittel, Kühlmittel oder Feuchthaltemittel eingesetzt werden. Besonders bekannt ist Ethylenglykol, das in Frostschutzmitteln vorkommt. In der Lebensmittelchemie sind dagegen Propylenglykol oder Glycerin als unbedenklich zugelassen. In Wein ist Glykol heute nicht mehr zulässig – auch nicht in Spuren.

Der Glykolskandal 1985

Im Jahr 1985 wurde bekannt, dass in mehreren österreichischen Weinen Diethylenglykol zugesetzt wurde, um ihnen nach dem Entzug von Wasser (durch Süßreserve oder Umkehrosmose) mehr Körper zu verleihen. Die betroffenen Weine wurden teils nach Deutschland exportiert und gelangten in den Handel. Die Aufdeckung führte zu umfassenden Rückrufen, strafrechtlichen Konsequenzen und einer langfristigen Schädigung des Weinimages. Infolge des Skandals wurden in Österreich und Deutschland neue gesetzliche Kontrollsysteme eingeführt. Der Glykolskandal markiert einen Wendepunkt in der europäischen Weingesetzgebung.

Wie können Glykolverbindungen im Wein vorkommen?

Im Zuge der alkoholischen Gärung entstehen verschiedene Nebenprodukte – darunter Glycerin, höhere Alkohole und organische Säuren. Diese natürlichen Stoffe ähneln chemisch dem Glykol, sind aber biologisch harmlos. Diethylenglykol oder Ethylenglykol entstehen in keinem natürlichen Gärungsprozess. Der Zusatz solcher Substanzen wäre heute eindeutig nachweisbar.

Ist Glykol heute noch ein Thema im Weinbau?

In modernen Weinen ist Glykol kein Thema mehr. Die Labordiagnostik (z. B. Gaschromatographie, HPLC) erlaubt extrem empfindliche Rückstandskontrollen. Gesetzliche Vorschriften in der EU und in internationalen Exportmärkten schreiben regelmäßige Rückstandskontrollen vor. Auch zertifizierte Naturweine oder Bioweine unterliegen diesen Anforderungen. Weitere Kontrollen betreffen Substanzen wie Sulfite oder biogene Amine, deren Grenzwerte in der EU ebenfalls geregelt sind.

Verwechslungsgefahr mit Glycerin und Gärungsnebenprodukten

Viele Konsumenten bringen Glykol fälschlich mit natürlich vorkommenden Stoffen wie Glycerin oder höheren Alkoholen in Verbindung. Dabei handelt es sich um reguläre Gärungsprodukte, die maßgeblich zur Mundfülle und Textur eines Weins beitragen. Sie sind sensorisch bedeutsam, aber gesundheitlich unbedenklich. Auch Autolyseprozesse können den Gehalt solcher Substanzen beeinflussen. Die ebenfalls oft diskutierten Tannine gehören dagegen zu einer völlig anderen Stoffklasse.

Thomas Henke schreibt seit über 20 Jahren im weinraum über Wein, Winzer, Regionen und den Genuß von Wein. Mehr über den Autor.
Veröffentlicht auf  Aktualisiert am  

Weine zum Thema

    Glykol im Wein – chemische Eigenschaften, Skandal und aktuelle Lage: Winzer

      Mehr über Regionen

        Mehr aus dem Lexikon