Aromen im Wein – ihre Entstehung
Warum riecht ein Wein nach Apfel oder Waldboden? Die Herkunft der Aromen ist komplex: Ein Teil entsteht in der Traube selbst — durch Inhaltsstoffe, die schon im Weinberg angelegt werden. Andere Aromen bilden sich erst bei der Gärung. Und manche Eindrücke wie Röst- oder Holznoten kommen erst im Ausbau hinzu. Dieser Artikel zeigt, wo die Aromen eines Weins ihren Ursprung haben — von der Rebe bis zum fertigen Wein. Für die, die es gerne genauer wissen möchten.
Weinaromen geniessen
Dieser Artikel konzentriert sich auf die Herkunft von Aromen im Weinberg. Eine Beschreibung der Weinaromen für Leute, die eher wissen möchten, wie ihr Wein duftet gibt es auch.Interessant hingegen sind die Wege, auf denen diese Stoffe entstehen und bei der Gärung verändert werden.
Die sensorische Wahrnehmung von Wein wird maßgeblich durch flüchtige und nichtflüchtige Aromaverbindungen bestimmt, die auf unterschiedlichen biosynthetischen und mikrobiellen Wegen entstehen.
In der Weinwelt werden primäre, sekundäre und tertiäre Aromen unterschieden. Diese Einteilung basiert auf dem jeweiligen Ursprung der Verbindung – entweder aus der Traube selbst, aus mikrobiellen Prozessen der Gärung oder aus chemischen Umwandlungen während der Reifung. Ein Einblick in die Pfade der Entstehung ausgewählter Aromen im Weinberg und Weinkeller.
Weinaromen
- Aromen – primäre, sekundäre und tertiäre:
- Entstehung entweder aus der Traube selbst (primäre), aus mikrobiellen Prozessen der Gärung (sekundäre) oder aus chemischen Umwandlungen während der Reifung (tertiäre).
- Wahrnehmung über die Nase: als Duft aus dem Glas oder vom Gaumen steigen Aromen zur Nase auf.
In der Beere gebildete Aromen
Terpenoide wie Linalool, Geraniol sind in freier oder glycosidisch gebundener Form in Rebsorten mit ausgeprägtem Primäraroma (z. B. Muskateller, Gewürztraminer) nachweisbar.
Methoxypyrazine, insbesondere 3-Isobutyl-2-methoxypyrazin, sind für grün-vegetabile Noten verantwortlich und typisch für Rebsorten wie Sauvignon Blanc und Cabernet Sauvignon. Norisoprenoide entstehen aus dem Abbau von Carotinoiden und umfassen unter anderem ß-Damascenon und TDN – letzteres charakteristisch für gereifte Rieslinge.
Darüber hinaus tragen Anthocyane und andere Polyphenole zur farblichen und strukturellen Ausprägung roter Weine bei, während Tannine maßgeblich die adstringierende Mundempfindung beeinflussen. Die Konzentrationen und qualitative Zusammensetzung dieser Substanzen hängen vom Genotyp, Reifestadium sowie Umweltbedingungen im Weinberg ab.
Mehr zu den Inhaltsstoffen
- Einen Überblick über die Grundlagen der Weinaromen: Was sind Weinaromen?
Vorläufersubstanzen und deren Steuerung im Weinberg
Zahlreiche Aromen entstehen indirekt durch enzymatische Umwandlung pflanzlicher Vorstufen. So werden Carotinoide zu Norisoprenoiden abgebaut, während aus Cystein und Methionin nach mikrobieller Transformation flüchtige Schwefelverbindungen wie 3MH und 4MMP resultieren.
Phenylalanin ist ein zentraler Vorläufer für phenolische Aromastoffe. Die Konzentration dieser Vorläufer wird durch Lichtverhältnisse, Wasserverfügbarkeit, Reifetemperatur sowie Stickstoffversorgung reguliert. Eine gezielte Laubarbeit und Ertragssteuerung kann den Gehalt dieser Vorstufen signifikant beeinflussen.
Mikrobielle Aromabildung während der Gärung
Im Verlauf der alkoholischen Gärung wandeln Hefen Zucker in Ethanol, CO₂ und eine Vielzahl weiterer Nebenprodukte um. Hierzu zählen vor allem Ester wie Isoamylacetat (Banane) oder Ethylhexanoat (Apfel), deren Synthese stark von Temperaturführung und Hefestamm abhängt. Thiole wie Mercaptane entstehen aus schwefelhaltigen Aminosäurevorstufen und sind verantwortlich für tropische Aromen wie Cassis oder Grapefruit.
Neben flüchtigen Estern und Thiolen entstehen auch Phenole, insbesondere bei spontaner Gärung mit nicht-Saccharomyces-Hefen und Brettanomyces. Diese können je nach Konzentration positive Würznoten (z. B. Eugenol) oder fehlerhafte Eindrücke (z. B. 4-Ethylphenol) hervorrufen. Weitere unerwünschte Geruchskomponenten entstehen bei mikrobiellen Fehlentwicklungen:
- Ethylacetat: stechender Geruch nach Nagellackentferner (Grenzbereich: 150–200 mg/L)
- Acetaldehyd: grüner Apfel bis oxidierte Sherry-Töne
- Schwefelwasserstoff (H₂S): faule Eier, durch Gärstockung oder Nährstoffmangel
- Dimethylsulfid (DMS): gekochter Kohl, vor allem bei reduktiven Bedingungen
- Buttersäure (Butansäure): ranzig, schweißartig – Indikator für bakterielle Fehlgärung
- 2,4,6-Trichloranisol (TCA): muffiger Korkton, typischer „Korkfehler“
Diese Verbindungen haben teils extrem niedrige Geruchsschwellenwerte im ng/L-Bereich und überlagern das gewünschte Aromenspektrum schnell.
Reifungsprozesse und tertiäre Aromen
Während der Reifung kommt es durch chemische Reaktionen und Autolyseprozesse zu tiefgreifenden Veränderungen im Aromenspektrum. Die Zelllyse inaktiver Hefen setzt Peptide, Glycerin und Mannoproteine frei, welche Textur und Mundgefühl beeinflussen.
Oxidative Reaktionen führen zur Bildung von Aldehyden (z. B. Acetaldehyd) und Alterungsnoten wie TDN oder Sotolon, das an Curry oder Walnuss erinnert. Die Reifung in Holzfässern führt zur Extraktion von Vanillin, Lactonen und phenolischen Verbindungen aus dem Holz selbst. Art, Herkunft und Röstung des Fasses beeinflussen das Profil wesentlich.
Ein pragmatischer Weg, gute Aromen im Weinberg zu erzeugen
Viele der hier dargestellten Mechanismen sind in der wissenschaftlichen Literatur gut dokumentiert, doch zahlreiche Fragen der biologischen Entstehung von Aromen im Wein sind nicht geklärt.
Diese Prozesse haben für den Alltag vieler Winzer keinerlei Bedeutung. Das ist auch nicht erforderlich: Weinbau ist keine molekulare Feinsteuerung, sondern ein Handwerk, das sich auf Erfahrung, Intuition und Umweltbeobachtung stützt. Das Wissen um die biologischen oder auch chemischen Vorgänge hilft hingegen, Entscheidungen zu treffen.
In Frankreich hat sich mit der culture raisonnée ein Ansatz etabliert, der gerade in seiner schon im Namen enthaltenen, undogmatischen Art überzeugt: «Vernünftiger Weinbau».
Er wird von rein ökologisch arbeitenden Betrieben häufig als zu lasch kritisiert – doch er hat zum Ziel, mit Augenmaß und Verstand zu handeln, ohne die Komplexität der Natur in ein starres System zu pressen. Wer so arbeitet, hält die Kirche im Dorf – und oft auch den Wein im Gleichgewicht.