Wein und seine Wirkung auf die Gesundheit.

Wein an sich hat keinen positiven Effekt auf die Gesundheit. Als Teil einer freudvollen und handwerklich guten Ernährung trägt er zur Lebensfreude bei.

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Wein und seine Wirkung auf die Gesundheit.

Gibt man bei einem online Buchhändler «Verzicht auf Alkohol» ein, erscheinen seitenweise Neuerscheinungen. Die Bücher wollen verkauft werden; Verlage wie Autorinnen können nicht genug Aufmerksamkeit erzeugen.

Dementsprechend voll sind die Internetseiten mit Leuten, die man noch nie zuvor gehört oder gesehen hat, nun jedoch nicht mehr trinken und dramatisch darüber berichten. Von «Rausch» ist die Rede, von «Drinks», «Suff», «Bewusstlosigkeit» und «Kontrollverlust».

So so.

Und wie schaut es mit dem ausgewählten Wein zum Essen aus? Wie mit dem Glas Wein am Abend «fürs Herz, hat auch der Arzt gesagt»?

Die schädliche Wirkung von Wein beruht natürlich auf dem Alkohol. Seine eventuellen positiven gesundheitlichen Wirkungen sind dagegen diffus und beruhen auf den Inhaltsstoffen, die aus den Schalen in den Most gelangen und zum Teil bei der Gärung für den Menschen besser verfügbar werden.

Schädliche Wirkungen von Alkohol:

  • Gehirn: Alkoholkonsum kann die Gehirnfunktion beeinträchtigen, was zu Gedächtnisstörungen, verminderter kognitiver Leistungsfähigkeit und einem erhöhten Risiko für Schlaganfälle und Demenz führen kann.
  • Herz-Kreislauf-System: Alkohol kann Bluthochdruck verursachen, das Risiko für Herzkrankheiten erhöhen und zu unregelmäßigem Herzschlag führen.
  • Leber: Chronischer Alkoholkonsum kann zu Fettleber, alkoholischer Hepatitis und Leberzirrhose führen.
  • Pankreas: Alkohol regt die Bauchspeicheldrüse an, giftige Substanzen zu produzieren, die zu Entzündungen führen können.
  • Immunsystem: Übermäßiger Alkoholkonsum schwächt das Immunsystem, wodurch die Anfälligkeit für Krankheiten wie Lungenentzündung und Tuberkulose steigt.
  • Krebsrisiko: Alkohol erhöht das Risiko für verschiedene Krebsarten, darunter Brust-, Leber-, Mund-, Rachen- und Speiseröhrenkrebs.

Polyphenole in Rotwein und deren potenzielle gesundheitlichen Vorteile:

Rotwein enthält Polyphenole wie Resveratrol, Quercetin und Anthocyane, die antioxidative Eigenschaften besitzen.

  • Resveratrol: Dieses Polyphenol wird mit antioxidativen, entzündungshemmenden und kardioprotektiven Eigenschaften in Verbindung gebracht. Studien deuten darauf hin, dass Resveratrol dazu beitragen könnte, Blutgefäße zu schützen, den LDL-Cholesterinspiegel zu senken und die Bildung von Blutgerinnseln zu verhindern. Es gibt jedoch keine empfohlene tägliche Zufuhrmenge für Resveratrol, und die Bioverfügbarkeit beim Menschen ist gering, was die klinische Bewertung erschwert.
  • Quercetin: Dieses Flavonoid besitzt antioxidative und entzündungshemmende Wirkungen. Es könnte helfen, den Blutdruck zu senken, den Cholesterinspiegel zu reduzieren und die Funktion der Blutgefäße zu verbessern. Auch hier gibt es keine festgelegte empfohlene Tagesdosis, und weitere Forschung ist erforderlich, um die genauen gesundheitlichen Vorteile zu bestimmen.
  • Anthocyane: Diese Pigmente verleihen vielen Früchten und Gemüsen ihre rote, blaue oder violette Farbe. Sie könnten antioxidative Eigenschaften haben und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie bestimmte Krebsarten reduzieren. Eine tägliche Aufnahme von etwa 50 mg Anthocyanen, entsprechend einer Tasse Blaubeeren, wird als potenziell vorteilhaft angesehen.

Es ist jedoch zu beachten, dass viele dieser Studien auf Tierversuchen oder In-vitro-Experimenten basieren und die Ergebnisse nicht direkt auf den Menschen übertragbar sind. Zudem sind die in Wein enthaltenen Mengen dieser Polyphenole relativ gering, sodass erhebliche Mengen konsumiert werden müssten, um potenzielle gesundheitliche Vorteile zu erzielen.

Vergleich der Polyphenolaufnahme durch Nahrung:

Alternativen zu Wein als Quelle für Polyphenole sind u. a. Bitterschokolade, rote Zwiebeln, rote Äpfel (mit Schale), grüne Bohnen, Brokkoli, Radicchio und dunkle Beeren wie Aronia oder Heidelbeeren. 

Die Zusammensetzung unterscheidet sich dabei stark, ebenso die Bioverfügbarkeit: Resveratrol wird schnell metabolisiert. Es gibt Hinweise, dass die Bioverfügbarkeit durch die gleichzeitige Zufuhr weiterer polyphenolischer Verbindungen (wie z. B. Anthocyane) erhöht werden kann. (*) 

Um die Menge an Polyphenol von 200ml tanninreichen Rotweines zu erreichen, könnten folgende Portionen verzehrt werden:

  • Etwa 12 g dunkle Schokolade (70–85 % Kakao).
  • Ungefähr 36 g Heidelbeeren.
  • Rund 13 g Walnüsse.
  • Etwa 200 ml schwarzer Tee.

Tagesplan zur Aufnahme von Polyphenol:

  • Frühstück: Haferflocken mit 50 g Heidelbeeren und 10 g gehackten Walnüssen, Apfel mit Schale, grüner Tee
  • Snack: Ein kleines Stück (15 g) dunkle Schokolade.
  • Mittagessen: Salat mit gemischtem Blattgemüse, 50 g roten Trauben, 10 g Sonnenblumenkernen und einem Dressing aus Olivenöl und Balsamico-Essig. Oder: Salat mit roten Zwiebeln, Radicchio, Walnüssen, 50 g Aronia-Beeren
  • Snack: Eine Tasse (200 ml) grüner oder schwarzer Tee und / oder Schokolade (85 %, 20 g)
  • Abendessen: Gegrillter Lachs mit einer Beilage aus gedünstetem Rotkohl und Quinoa. Oder Brokkoli, grüne Bohnen, Hirse; dazu ein Glas Traubensaft (100 ml)

Herzkur ohne Alkohol

Dieser Ernährungsplan ist leicht zu realisieren und ermöglicht es, die Polyphenolaufnahme eines Glases Rotwein zu erreichen oder zu übertreffen, ohne Alkohol zu konsumieren. Die genannten Lebensmittel sind allgemein verfügbar und können problemlos in die tägliche Ernährung integriert werden. Zudem liefern sie neben Polyphenolen weitere wichtige Nährstoffe.

Studienlage zur Wirkung von Wein

Die wissenschaftliche Diskussion um die möglichen gesundheitsfördernden Effekte moderaten Weinkonsums ist vielschichtig. Insbesondere Rotwein mit hohem Gehalt an Polyphenolen wie Resveratrol, Quercetin und Anthocyanen wurde wiederholt als potenziell protektiv für Herz-Kreislauf-Erkrankungen diskutiert.

Mit Wein vielleicht ein längeres Leben ...

In mehreren Beobachtungsstudien zeigte sich ein inverser Zusammenhang zwischen moderatem Weinkonsum und der Gesamtmortalität. Die oft zitierte sogenannte J-Kurve beschreibt diesen Zusammenhang: Abstinenz sowie hoher Konsum sind mit erhöhtem Risiko assoziiert, während ein moderater Konsum – meist definiert als 1 Glas pro Tag bei Frauen, 1 bis 2 Gläser bei Männern – mit geringerer kardiovaskulärer Mortalität einhergeht.

Ein Beispiel ist die großangelegte Meta-Analyse von Di Castelnuovo et al. (2006), die 34 Studien mit insgesamt über einer Million Probanden auswertete. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass ein geringer bis mäßiger Alkoholkonsum mit einem signifikant reduzierten Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen assoziiert sei (Di Castelnuovo et al., 2006, https://doi.org/10.1001/archinte.166.22.2437).

oder liegt es doch am Essen zum Wein? Die Kausalität fehlt.

Dennoch betonen alle diese Studien ihre Einschränkungen: Es handelt sich um Beobachtungsstudien, die keine Kausalität belegen können. Verzerrungen durch Lebensstilfaktoren wie Ernährung, Bewegung, sozioökonomischen Status oder medizinische Versorgung sind nicht auszuschließen. 

Auch ist nicht immer klar, ob der Effekt dem Alkohol oder den Begleitstoffen (Polyphenolen) zuzuschreiben ist. Der therapeutische Nutzen von Wein kann daher nicht als bewiesen gelten, sondern ist weiterhin hypothetisch.

Dies wird auch von Metaanalysen wie Zhao et al. (2023) diskutiert, die in ihrer Auswertung auf methodische Probleme früherer Studien hinweisen (https://jamanetwork.com/journals/jamanetworkopen/fullarticle/2801466).

Vollrausch gegen den Herzinfarkt nötig

Die für gesundheitsfördernde Wirkungen diskutierten Mengen an Resveratrol liegen bei ca. 5 bis 10 mg pro Tag. In einem Glas Rotwein (150 ml) aus polyphenolreichen Rebsorten wie Tannat oder Malbec können etwa 0.3 bis 1.5 mg Resveratrol enthalten sein – in Ausnahmefällen auch mehr.

Um 10 mg Resveratrol ausschließlich über Weintrauben aufzunehmen, wären zwischen 500 g und 2 kg rote Weinbeeren mit hohem Schalenanteil notwendig, da Resveratrol fast ausschließlich in der Beerenhaut vorkommt (Lin et al., 2006, https://doi.org/10.1016/j.jfoodcomp.2006.03.003).

Das französische Paradox - die Mittelmeerdiät

Eine weitere viel zitierte Arbeit ist die von Renaud & de Lorgeril (1992), die unter dem Begriff «French Paradox» bekannt wurde. Die Autoren vermuteten, dass trotz hoher Aufnahme gesättigter Fette die französische Bevölkerung aufgrund regelmäßigen moderaten Rotweinkonsums eine niedrigere Rate an koronaren Herzerkrankungen aufweise (Renaud & de Lorgeril, 1992, https://doi.org/10.1016/0140-6736(92)90177-F).

In neueren Studien, etwa von Tresserra-Rimbau et al. (2014), wurde untersucht, inwieweit sekundäre Pflanzenstoffe wie Polyphenole kardioprotektive Eigenschaften entfalten könnten. Die PREDIMED-Studie, eine prospektive randomisierte Untersuchung zur Mittelmeerdiät, zeigte, dass eine polyphenolreiche Ernährung mit reduziertem Blutdruck, verbesserter Endothelfunktion und niedrigeren Entzündungsmarkern assoziiert ist (Tresserra-Rimbau et al., 2014, https://doi.org/10.3945/ajcn.113.071993).

Lieber keinen Wein für die Gesundheit

Während die schädlichen Wirkungen von Alkohol auf den Körper sich kausal auf die Wirkung von Alkohol zurückführen lassen und zudem statistisch belegt sind, gibt es an den negativen Wirkungen von Alkohol keinen Zweifel. Insbesondere wenn mehr als das «ab und zu» «ein Glas (Frau) oder zwei Gläser (Mann)» getrunken wird.

Was auf die meisten zutreffen dürfte, die gerne Wein zum Essen trinken. Dass von denen, die dies tun, viele sehr alt werden, dürfte damit zusammenhängen, dass auch Sitzen, Kuchen essen und der Kampf um Beförderung der Gesundheit schädigen, ohne sie in jedem Falle zu zerstören.

Die potentiell positiven Effekte von Alkohol sind hingegen nicht kausal zu belegen. Auch sind die erforderlichen Mengen höher als ein wenn überhaupt sinnvolles Maß an Alkohol, den Wein enthält.

Wein als Lebensweise

Ebenfalls nicht alleine dem Wein zuzuschreiben, sind die positiven Wirkungen einer bewussten Lebensweise, wozu explizit die Ernährung zählt. Hierzu ist kein Wein erforderlich, aber oft eben Bestandteil davon.

Gesünder ist es, einen frischen Salat ohne Wein zuzubereiten und einen Tee dazu zutrinken. Sehr vielen Menschen macht es jedoch weit mehr Freude, den Salat mit einem Wein im Glas zuzubereiten und das Essen auf ein höheres Niveau durch die Kombinationen mit den Aromen der Weine zu heben.

Und das scheint ziemlich gesund zu sein.

(*) Quellen:

(Pannu N, Bhatnagar A. Resveratrol: from enhanced biosynthesis and bioavailability to multitargeting chronic diseases. Biomed Pharmacother. 2019 Jan;109:2237-2251 de Vries K, Walle T, Hsieh F, DeLegge MH, Oatis JE Jr, Walle UK. High absorption but very low bioavailability of oral resveratrol in humans. Drug Metab Dispos. 2004 Dec;32(12):1377-82.

 

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