Spontangärung

Die Spontangärung erfolgt durch natürliche Hefen, die auf den Trauben und im Weinkeller vorkommen. Dieser Ansatz ist weniger steuerbar, bringt jedoch einzigartige Eigenschaften mit sich

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Spontangärung

Spontangärung und Terroir

Wie lernt man kochen, ein Instrument? Gänzlich unüberschaubar ist die Anzahl der Ratgeber, Bücher, youtube videos und natürlich ladenweise Gerätschaften, die man benötige, sonst könne man es gleich vergessen.

Beim Wein ist es ähnlich, beliebig lässt sich darüber reden, dass italienischer Wein nicht so sauer sei wie französischer, biologischer Wein bitter und bei Vollmond gelesener Wein natürlich vollmundiger.

Die Reduktion

Praktisch nichts von dem bringt einen der Sache so nahe, wie die Reduktion auf das Wesentliche. Davon wird man wenig lesen, weil man es nicht verkaufen kann, einfach mal an Kräutern und Gemüse zu riechen und zu schauen, was schmeckt.

Sehr viele suchen ihre Weine nach Auszeichnungen und Punkten aus, da möchte niemand von dem warum und wieso reden. Kommt der Wein aus einem Weinkeller, der aussieht wie das Hilton in New York City, kostet er halt viel.

Moderner Weinbau

Was machen moderne, qualitätsbewusste und sehr engagierte Winzer anders? Sie machen möglichst wenig an ihren Weinen. Sie lassen den Wein entstehen.

Das Zusammenwirken von Weinberg und Weinkeller

Schon seit Längerem wird in praktisch allen guten Betrieben biologisch gearbeitet. Mehr oder weniger, oft zertifiziert, oft auch nicht. Doch dieses «bio» war vielen Winzer dann nicht genug, es sollte auch im Weinkeller anders laufen als früher.

Seit einigen Jahren ist die Spontangärung bei solchen Winzern zum Mittel der Wahl geworden. Erst sie setzt im Weinkeller um, was an vieler Arbeit bei biologischer Bewirtschaftung im Weinberg geschaffen wurde.

Die Gärung...

wird meist reduziert auf die Produktion von Alkohol und CO2. Doch es sind sehr komplexe Vorgänge, die bei der Gärung ablaufen: sehr viele Stoffe werden produziert und wieder abgebaut. Hefen steuern diese Prozesse über Enzyme, und der Mensch hat früh begonnen, in diese Prozesse einzugreifen.

Die Hefen

Die Spontangärung startet nur mit den Hefen aus dem Weinberg. So wurde seit Jahrtausenden Wein erzeugt. War das Jahr schlecht - etwa, weil es zu viel Sonne oder schlimmer noch: Regen gab - war der Wein es nicht selten auch. Die Hefen waren nicht in einem Verhältnis, das guten Wein hervorbrachte. In einem solchen Umfeld entstehen Fehltöne, die so stark werden können, dass der Most verdirbt, schlicht zu Essig werden kann.

Die Lösung: Zuchthefe!

In der Brauerei Carlsberg wurde 1883 die erste Zuchthefe verwendet: gezüchtet aus der ursprünglichen Bierhefe. Schnell wurden weitere Hefen gezüchtet, die die Gärung von den Einflüssen im Weinberg unabhängig machten. Es gab keinen verzögerten Start der Gärung, keine unerwünschten Nebenprodukte.

Das Aroma

Als diese Hefen aufkamen, trank der durchschnittliche Franzose (Säuglinge mitgerechnet) 170 Liter Wein pro Jahr. Der hatte zum einen wesentlich weniger Alkohol und mit den aromatischen Kapriziosen, die wir heute gerne genießen, nichts gemein. Es war ein süffiges Getränk - fertig. Ob das mit Reinzuchthefen oder sonst was vergoren war, interessierte keinen Menschen.

Heidewitzka im Weinberg

Etwa zur gleichen Zeit, wie die Reinzuchthefen im Weinkeller Einzug hielten, kamen die chemischen Mittel im Weinberg zum Einsatz. «Unkraut» - Vernichter, Pestizide, Düngemittel, Weinbauern wurden zunehmend zu Chemielaboranten. Die Erträge stiegen, Ernteausfälle wurden weniger und die Zuchthefen futterten alles bis zum letzten Zuckerrest weg.

Drogen und Winterspeck...

wird man bekanntlich schwer wieder los. Die Rückbesinnung auf biologischen Weinbau schreitet schon länger voran, wobei auch hier die ersten Winzer als Spinner beschimpft wurden. Es ist weit mehr Arbeit, einen Weinberg biologisch zu betreiben, als auf chemische Mittel zurück zu greifen. Es erfordert Mut, denn die Erträge können stark schwanken.

Der «bio» Boom hat natürlich stark dazu beigetragen, dass viele Winzer auf «bio» umgestiegen sind. Ein paar Formulare ausfüllen, auf gute Jahre hoffen ... die Kunden zahlen gerne auch mehr für das «bio» auf der Flasche.

Aber jetzt nicht noch an die Hefen! Viele Winzer wehren sich mit Händen und Füßen gegen die Spontangärung. Forschungsanstalten erstellen fleißig Gutachten, dass Reinzuchthefen auch lecker Wein machen, alles gut.

«bio» ist noch lange nicht rein

Nur weil ein Weinberg biologisch betrieben wird, gelingt noch lange keine Spontangärung. Groß ist immer noch das Risiko von Fehltönen. Daher gehen viele Winzer diesen Weg der Spontangärung rigoros nicht, andere würden gerne, aber trauen sich nicht. Der Weinkeller ist noch finanziert, die Kinder gerade erst in die Schule gekommen. etc. Vollkommen verständlich.

Der Vorteil der Spontangärung

Die Aromen. Ein spontan vergorener Wein hat ein völlig anderes, tieferes Aromenbild als ein Wein aus der Gärung mit Reinzuchthefen. Er spiegelt die Arbeit eines Weinjahres im Weinberg, den Verlauf des Wetters, die Bearbeitung der Reben wider. Weit weniger von alldem wird man in einem klassischen Wein finden.

Der Nachteil der Spontangärung

Die Aromen. Manchem gefallen die Aromen nicht. Wer viele Jahre die leichteren Noten klassischer Weine gewohnt ist, dem wirken mitunter solche Weine zu dicht. Hier gibt es kein richtig oder falsch: wer es nicht mag, findet genug Alternativen. Auch im weinraum.

Verschlungene Pfade: vom Terroir zum Wein

Die Gärung macht mehr als Alkohol

Veränderungen im Weinbau

Die Zusammensetzung der Beeren, die Winzer lesen, hat sich in den letzten Jahrzehnten verändert. Eine der Ursachen dafür ist der Klimawandel, der insbesondere in französischen Weinregionen wie der Rhône oder dem Languedoc mit intensiver Hitze und längeren Trockenperioden spürbare Auswirkungen zeigt.

Diese Bedingungen fördern die Ansammlung von Zucker in den Trauben, was zu höheren Alkoholgehalten führt, während gleichzeitig die Säurekonzentration sinkt. Diese Veränderungen beeinflussen nicht nur die physikalische Reife, sondern auch die chemische Zusammensetzung der Beeren.

Aromenbildung und die Rolle der Gärung

Während der Gärung entstehen hunderte flüchtige Aromastoffe, die das sensorische Profil des Weins prägen. Die Konzentration dieser Stoffe reicht von wenigen Nanogramm bis zu mehreren Milligramm pro Liter, wobei ihr Einfluss nicht nur von der Menge, sondern auch von ihren Geruchsschwellenwerten abhängt. Viele dieser Verbindungen entstehen aus geruchslosen Vorstufen, den sogenannten Präkursoren, die sortenspezifisch in der Traube vorhanden sind.

Einfluss der Hefe auf die Gärung und die Aromabildung

Hefen spielen eine entscheidende Rolle bei der Umwandlung der Traubenzucker in Alkohol und Aromen. Sie aktivieren enzymatische Prozesse, durch die Präkursoren in flüchtige Aromastoffe überführt werden. Besonders wichtig sind hier Norisoprenoide, Monoterpene, Methoxypyrazine und Thiole, die den Wein durch Frucht-, Kräuter- und Gewürznoten charakterisieren.

Reinzuchthefen: Präzision in der Gärungssteuerung

Reinzuchthefen sind speziell selektierte Hefestämme, die gezielt für bestimmte Eigenschaften in der Weinbereitung entwickelt wurden. Sie bieten eine präzise Steuerung des Gärungsverlaufs und der Aromabildung:

  • Aromenprofil: Reinzuchthefen können spezifische Aromen wie florale oder tropische Noten verstärken.
  • Gärungsstabilität: Sie garantieren eine gleichmäßige und zuverlässige Fermentation und minimieren das Risiko von Gärproblemen.
  • Stilkontrolle: Winzer können das gewünschte Geschmacksprofil exakt umsetzen, was besonders bei Markenweinen entscheidend ist.

Spontangärung: Authentizität und Terroirausdruck

Die Spontangärung startet durch natürliche Hefen, die auf den Trauben und im Weinkeller vorkommen. Dieser Ansatz ist kaum steuerbar, bringt jedoch einzigartige Eigenschaften mit sich:

  • Komplexität: Die gleichzeitige Aktivität verschiedener Hefestämme führt zu einem vielschichtigen Aromaprofil.
  • Terroirausdruck: Natürliche Hefen reflektieren die regionalen Bedingungen und verleihen dem Wein einen unverwechselbaren Charakter.

Die Spontangärung birgt allerdings auch Risiken wie Gärstockungen oder die Entstehung unerwünschter Nebentöne.

Vergleich: Reinzuchthefen vs. Spontangärung

Eigenschaft Reinzuchthefen Spontangärung
Aromenbildung Präzise und gezielt Komplex und unvorhersehbar
Terroirausdruck Gering Stark ausgeprägt
Gärstabilität Hoch Schwankend
Anwendung Standardisierter Weinstil Individualität und Ausdruck regionaler Böden

Arbeiten im Weinberg, Hefeauswahl und Gärungsprozesse prägen die Qualität und das Profil eines Weins.

Aromastoffe: viele Vorstoffe entstehen im Weinberg

Die Aromastoffe im Wein entstehen durch komplexe chemische Prozesse während der Traubenreife, der Gärung und des Ausbaus. Dabei spielen nicht nur die Zusammensetzung der Trauben, sondern auch weinbauliche Maßnahmen, die Wahl der Hefe und der Gärungsverlauf eine entscheidende Rolle. Hier sind die wichtigsten Aromastoffklassen und ihre Eigenschaften:

Isoprenoide

Isoprenoide umfassen eine Vielzahl von Pflanzeninhaltsstoffen, die in der Traube und im Wein zur Qualität und Aromaausprägung beitragen. Besonders bedeutsam sind die Monoterpene und die Derivate der Carotinoide, die sogenannten Norisoprenoide.

Carotinoide und Norisoprenoid-Derivate

Carotinoide dienen in der Traube als Begleitpigmente des Chlorophylls und als Schutzpigmente gegen hohe Lichtintensitäten. Sie gelten als Vorstufen der C13-Norisoprenoide, die sowohl in Weiß- als auch in Rotweinen eine zentrale Rolle spielen. Diese Stoffe prägen blumige und fruchtige Noten, wie sie etwa durch β-Damascenon (Rose, Honig) und Ionon (Veilchen) vermittelt werden.

Arbeit im Weinberg:
  • Laubarbeit: Eine moderate Sonnenexposition fördert die Bildung von Carotinoiden. Zu starke Belichtung oder hohe Temperaturen können jedoch den Abbau der Carotinoide beschleunigen.
  • Wasserversorgung: Trockenstress korreliert mit einem erhöhten Gehalt an β-Damascenon, was die Intensität der Aromen steigern kann.
  • Lesegut: Die Konzentration der Norisoprenoide steigt mit dem Reifegrad der Trauben. Eine späte Lese führt daher zu intensiveren Aromen, allerdings auf Kosten der Frische.

Monoterpene

Monoterpene sind eine bedeutende Aromastoffklasse, besonders für aromatische Weißweinsorten wie Muskateller, Gewürztraminer und Riesling. Sie verleihen Weinen florale und fruchtige Noten, z. B. von Rosen, Zitrusfrüchten oder Lavendel.

Unterschiede zu Norisoprenoiden:
  • Herkunft: Monoterpene werden direkt in der Traube gebildet und liegen sowohl in freier als auch in gebundener Form vor. Norisoprenoide entstehen hingegen überwiegend durch den Abbau von Carotinoiden.
  • Entstehung: Während der Reifung nimmt der Anteil an freien Monoterpenen zu, die unmittelbar zur Aromawahrnehmung beitragen.
Arbeit im Weinberg:
  • Laubarbeit und Temperatur: Monoterpene sind licht- und temperatursensibel. Hohe Temperaturen während der Reifephase können zu einem Abbau dieser Stoffe führen, weshalb eine moderate Laubwandgestaltung entscheidend ist.
  • Wasserversorgung: Ein leichter Wassermangel kann die Konzentration an Monoterpenen steigern.
  • Botrytis: Der Befall durch Botrytis cinerea führt zum Abbau wichtiger Monoterpene, was die Aromaintensität verringert.

Methoxypyrazine

Methoxypyrazine sind stickstoffhaltige Verbindungen, die für grüne, pflanzliche Aromen wie Paprika und grüne Bohnen verantwortlich sind. Sie sind besonders charakteristisch für Sorten wie Cabernet Sauvignon, Sauvignon Blanc und Semillon.

Sensorische Eigenschaften:

Methoxypyrazine besitzen sehr niedrige Geruchsschwellenwerte (2–15 ng/L). Übermäßige Konzentrationen können als störend empfunden werden, während moderate Werte die Frische und Komplexität des Weins erhöhen.

Weinbauliche Maßnahmen:
  • Laubarbeit: Eine intensive Belichtung reduziert die Konzentration von Methoxypyrazinen.
  • Erntezeitpunkt: Der Abbau von Methoxypyrazinen während der Reife macht eine späte Lese sinnvoll, um grüne Noten zu minimieren.
  • Klimatische Bedingungen: Kühle Klimazonen und feuchte Bedingungen begünstigen die Bildung dieser Verbindungen.

Mercaptane (Thiole)

Thiole sind schwefelhaltige Verbindungen, die Weinen tropische und exotische Aromen verleihen. Zu den wichtigsten Thiolen gehören 4-Mercapto-4-methylpentan-2-on (4MMP), das Cassisnoten erzeugt, und 3-Mercaptohexanol (3MH), das für Grapefruit- und Passionsfruchtaromen bekannt ist.

Bildung:

Thiole entstehen während der Gärung aus geruchlosen Vorstufen, die an die Aminosäure Cystein gebunden sind. Der Gehalt hängt stark vom Stickstoff- und Wasserhaushalt der Reben ab.

Arbeit im Weinberg:
  • Wasserversorgung: Ein moderater Wassermangel kann die Konzentration von Thiolen erhöhen.
  • Belichtung: Eine ausreichende Belichtung fördert die Bildung von Thiolvorstufen.
  • Traubenzustand: Gesunde und nicht überreife Trauben bieten die besten Voraussetzungen für die Thiolbildung.

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